Einleitung
Die von den Vereinten Nationen (UN) verabschiedeten 17 Nachhaltigkeitsziele (engl. Sustainable Development Goals, SDGs) haben nun auch ihren Weg in die Gemeinde Hambühren in Niedersachsen im Landkreis Celle gefunden.

Die knapp 10.500 Einwohner umfassende Gemeinde hat unter der Leitung von Bürgermeister Carsten Kranz (parteilos) im Sommer 2021 den Entschluss gefasst, dem Projekt “Kommunale Nachhaltigkeit in kleinen und mittleren Kommunen in Niedersachsen” (KommN Niedersachsen) beizutreten. Hambühren ist somit eine von 15 niedersächsischen Kommunen, die sich entschlossen haben, gemeinsam und unter der Leitung der Kommunalen UmweltAktionN (UAN) eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln.
In diesem Beitrag gehe ich auf das Thema Nachhaltigkeit und das Projekt näher ein, mit dem Ziel, beide besser verständlich machen zu können.
Woher kommt der Nachhaltigkeitsgedanke?
Das Konzept der Nachhaltigkeit ist nicht neu. Bereits indigene Völker weltweit haben über Jahrtausende so gewirtschaftet, dass Ressourcen und die Umwelt so genutzt werden, dass sie über Generationen hinweg uneingeschränkt verfügbar waren. Das heisst, es wurde keine Ressource so genutzt, dass sie entweder vollends ausgebeutet oder z.B. eine Art ausgestorben war. Auch in Mitteleuropa war durch die eher begrenzte ressourcenorientierte Kraft des Feudalsystems zwangsläufig eine quasi nachhaltige Wirtschaftlichkeit gegeben.
Im Zuge der Renaissance und später der Industrialisierung vom 16.-19. Jahrhundert änderte sich dies jedoch drastisch. Mit der Expandierung des europäischen Machteinflusses stieg auch die Lust nach ‘exotischen’ Gütern und Ressourcen. Mensch und Tier, die dem kolonialen Einfluss ausgesetzt waren, wurden demnach massiv ausgebeutet und überjagt. Der dramatische Rückgang von bestimmten Walarten im 17. und 18. Jahrhundert, zum Beispiel, verdeutlicht eine nicht-nachhaltige Nutzung durch europäische Walfänger.
Die Industrielle Revolution und die daraus resultierende Nutzung von Erdöl und anderen Kohlenwasserstoffen führte schlussendlich dazu, dass neben der ausbeuterischen Nutzung der Ressourcen auch die Umweltverschmutzung zunahm: Abgase, Plastik und andere Umweltgifte fanden ihren Weg in die tägliche Nutzung der westlichen Gesellschaften. Dies führte unweigerlich dazu, dass der Hunger nach Ressourcen mit massiven Umweltzerstörungen einher ging.
Im Zuge der sogenannten ‘Umweltrevolution’ der 1960er Jahre, mit ausgelöst durch das 1962 erschiene Buch Der stumme Frühling (engl. Silent Spring) der amerikanischen Biologin Rachel Carson, fand jedoch ein Paradigmenwechsel statt. Denn es wurde klar, dass der Einfluss des Menschen auf die natürliche Umwelt langfristige Schäden mit sich bringen würde. So initiierte die UN 1972 die erste Konferenz über die Umwelt des Menschen (“Weltumweltkonferenz”) und auch das Umweltprogramm der UN (engl. United Nations Environment Programme, UNEP) wurde gegründet.
Die 1970er Jahre sahen außerdem die Verabschiedung vieler wichtiger internationaler Übereinkommen zum Schutze der natürlichen Umwelt, wie z.B. dem Übereinkommen zum Schutze von Eisbären (1973), der Washingtoner Artenschutzkonvention (CITES, 1973) oder dem Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (Bonner Konvention, 1979).
Die 1980er Jahre prägten schlussendlich die moderne Anwendung des Begriffes der Nachhaltigkeit bzw. der nachhaltigen Entwicklung – Begriffe, die oft gleichbedeutend verwendet werden. Zunächst wurde der kommerzielle Walfang 1982 durch die Internationale Walfangkommission (IWC) verboten, welches 1985/85 in Kraft trat. Somit wurde eine ikonische Tierart international unter Schutz gestellt, welches dem Umweltgedanken deutlichen Auftrieb gab. Zudem wurde 1987 der Bericht Unsere gemeinsame Zukunft (engl. Our Common Future) der von der UN 1983 gegründeten Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED) veröffentlicht. Der Bericht – der auch Brundtland-Report in Anlehnung an die Leiterin der WCED, Gro Harlem Brundtland, genannt wird – stellt wahrscheinlich einen der wichtigsten Berichte für den Umwelt- und Menschenschutz dar. Denn er ist der Bericht, der als Erstes eine Definition des Begriffes ‘nachhaltige Entwicklung’ präsentiert:
Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne die Möglichkeit zukünftiger Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können zu riskieren.
In Folge dieser Definition und der damit verbundenen vielfältigen Interpretationsweisen wurde 1992 die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro abgehalten. Hier wurde sich auf bahnbrechende sozio-ökonomische und sozio-ökologische Prinzipien geeinigt, wie z.B. dem Vorsorgeprinzip (engl. precautionary principle), dem Generationenprinzip (engl. principle of intergenerational equity) oder dem Verursacherprinzip (engl. polluter pays principle) verabschiedet. Diese finden sich in der nicht-bindenden Rio-Deklaration sowie der Aktionsvorgabe der Agenda 21 wieder. Auch sah die Rio-Konferenz bzw. die unmittelbare Zeit danach die Verabschiedung mehrerer rechtlich bindender internationaler Übereinkommen, die diese Prinzipien zum inhärenten Element ihres Rechtsrahmens gemacht haben: die Biodiversitätskonvention (engl. Convention on Biological Diversity, CBD); die Klimarahmenkonvention (engl. UN Framework Convention on Climate Change, UNFCCC); und die Wüstenkonvention (engl. United Nations Convention to Combat Desertification in those Countries Experiencing Serious Drought and/or Desertification, particularly in Africa, UNCCD).
Somit hat, spätestens seit der Rio-Konferenz, der Nachhaltigkeitsgedanke Einzug in internationale Foren gefunden und diese langfristig auch erweitert. Dies spiegelt sich, u.a., in der Verabschiedung von Protokollen oder der Gründing von Sub-Komittees oder Arbeitsgruppen in den oben genannten Übereinkommen, aber auch in anderen Übereinkommen wie CITES oder die Bonner Konvention, wider.
Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen
Was mit der Rio-Konferenz seinen Anfang nahm, wurde im Rahmen anderer Konferenzen weitergeführt und in mehreren Erklärungen und Aktionen der UN unterstrichen. Die Mühlen der UN mahlen jedoch äußerst langsam, da jede Entscheidung, jeder Satz und jedes Wort von allen Mitgliedern der Generalversammlung mitgetragen werden müssen. Aber zum Nachhaltigkeitsgipfel 2015 wurden schließlich die 2030 Agenda zur Nachhaltigen Entwicklung (Agenda 2030) sowie die der Agenda 2030 zugrundeliegenden 17 Nachhaltigkeitsziele verabschiedet.
Diese beiden Dokumente bilden einen globalen Plan zur nachhaltigen Sicherung von Frieden und Wohlstand und dem Schutze der Erde. Dabei spielen ökonomische, ökologische sowie soziokulturelle Themen eine grundlegende Rolle. Neben der Bekämpfung von Hunger (SDG 2) und dem Schutze der Umwelt (SDG 13-15) sind somit auch Innovation (SDG 9), Chancengleichheit (SDG 10) und nachhaltiges Konsumverhalten (SDG 12) Teil diese globalen Strategie:

Da die SDGs weitreichende Nachhaltigkeit anstreben, sind nicht nur Staaten, sondern alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens gefragt, diese umzusetzen. Dies geschieht jedoch nicht ohne die Unterstützung der UN, die eigens eine Abteilung für Nachhaltigkeitsziele (engl. Division for Sustainable Development Goals, DSDG) eingerichtet hat, damit Hilfestellung geleistet werden kann. Dies geschieht u.a. in Unterstützung zur Umsetzung der 169 Teilziele, die dazu dienen, die 17 Hauptziele zu erreichen.
Grundsätzlich können Staaten und andere Stakeholder nicht dazu gezwungen werden, die SDGs umzusetzen. Allerdings sind, wie bereits oben erwähnt, Grundprinzipien, die den SDGs zugrunde liegen, in rechtlich bindender Form in diversen internationalen Instrumenten wiederzufinden. Aber mit der Verabschiedung der SDGs haben die UN Mitgliedsstaaten gezeigt, dass nachhaltige Entwicklung ein Zukunftsthema ist, das sich nicht ignorieren lässt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die freiwillige Berichterstattung der UN-Mitgliedsstaaten zur Umsetzung der SGDs in ihrern jeweiligen Territorien verhältnismäßig gut ausgeprägt ist. Allerdings ist es auch so, dass trotz der Existenz von vergleichbaren Indikatoren zur Umsetzung der SDGs deutliche Unterschiede in verfügbaren Daten gibt: So sind bei 5 von 17 Zielen von weniger als der Hälfte von 193 Ländern Daten verfügbar. Bei SDG 13 (Klimaschutz) sind lediglich in 1 von 6 Ländern Daten verfügbar.

Dies lässt darauf schliessen, dass es erhebliche Hürden zur Umsetzung einiger Ziele gibt. Welche Hürden dies sind, lässt sich bisher nicht klären. Doch ist neben der Aktualität von Daten in den Ländern selber auch die andauernde COVID-19 Pandemie ein Grund für unregelmäßige und lückenhafte Berichterstattung.
Da die Umsetzung der SDGs grundsätzlich auf Freiwilligkeit beruht, kann dies als sogenannter ‘bottom-up approach’ gewertet werden: Es gibt zwar gewissen Vorgaben, diese sind aber von den Mitgliedsstaaten und anderen Stakeholdern selber umzusetzen. Folglich ist es auch an Kommunen, insbesondere SDG 11 – Nachhaltige Städte und Gemeinden – individuell verwirklichen zu können.
Bisherige Nachhaltigkeits-Aktivitäten und -Erfolge in der Gemeinde Hambühren
Die Umsetzung der SDGs auf kommunaler Ebene kann durch vielfältige Aktionen seitens der Gemeinde selber als auch seitens der Bürger*innen erfolgen. In der Auftaktveranstaltung des Projektes KommN Niedersachsen am 11.01.2021 stellte Bürgermeister Kranz heraus, dass heutige Entscheidungen nötig sind, um die Welt von morgen “enkeltauglich” zu gestalten und dass nachhaltiges Handeln ein Weg in Richtung Verantwortung für den Erhalt der Lebensgrundlage ist.
Mehrere Erfolge in Sachen Nachhaltigkeit kann die Gemeinde bisher verzeichnen, die sich über das SDG-Portal abrufen und mit anderen Kommunen vergleichen lassen. Das Portal wird vom Projekt „SDG-Indikatoren für Kommunen“ betrieben dem die Bertelsmann Stiftung, das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Städtetag, der Deutsche Städte- und Gemeindebund, das Deutsche Institut für Urbanistik, ICLEI – Local Governments for Sustainability sowie der Rat der Gemeinden und Regionen Europas / Deutsche Sektion zugehörig sind.
Darüberhinaus setzt die Gemeinde bisher mehrere SDGs zum Thema Artenschutz, Infrastruktur, Verwaltung, Gewerbe und Bildung direkt und indirekt um (Auswahl):
- Erschaffung von Blühflächen
- Erstellung eines dezentralen Regenwasserversickerungssystem
- Inbetriebnahme eines energieeffizienten Glasfasernetzes
- Straßenerhaltungsmanagement, dass Gemeindestraßen rechtzeitig instand setzt
- Vermarktung von regionalen Lebensmitteln und -produktion
- Inbetriebnahme einer Biogasanlage
- Betrieb einer Ganztagsgrundschule mit Hort, Kindertagesstätten sowie eines Gymnasiums
- Betrieb einer Seniorenbegegnungsstätte und eines Jugendtreffs
Trotz dieser Vielfältigkeit sind die SGDs bisher nicht zielgerichtet umgesetzt worden. Daher ist die Gemeinde nun aktiv im Projekt KommN Niedersachsen tätig geworden.
Das Projekt KommN Niedersachsen
Das Projekt Kommunale Nachhaltigkeit Niedersachsen (KommN Niedersachsen) ist ein von der Kommunalen UmweltAktioN (UAN) initiiertes Projekt, das Städte und Gemeinden in Niedersachsen dazu motivieren soll, nachhaltigere Wege zu gehen. Es begann am 1.1.2020 und wird bis zum 31.12.2024 laufen, gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz.
Die UAN leitet somit interessiert Kommunen an, eine Bestandsaufnahme durchzuführen, eine Arbeitsgruppe (AG) zum Thema Nachhaltigkeit zu gründen und durch ihren Maßnahmenkatalog schlussendlich eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln. Eine erfolgreiche Gemeinde erhält dann einen Nachhaltigkeitspreis. Bisher hat keine Stadt oder Gemeinde diesen Preis erhalten, doch fällt der Stadt Geestland im Landkreis Cuxhaven eine besondere Rolle zu, da sich diese zum Thema Nachhaltigkeit bisher deutlich hervorgetan hat. Gemeindeverwaltungen können sich in Geestland für
1. Erstberatung
2. Traineeprogramm / Hilfestellung bei der NH-Strategieentwicklung
3. Prozessmanagement
4. Begleitung bei der Erstellung zum Bericht beim Deutschen Nachhaltigkeitskodex
5. Checkliste für Nachhaltigkeit
6. Kommunikationshilfen für die 17 Nachhaltigkeitsziele
7. Evaluation
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Die AG Nachhaltigkeit stellt den Kern der Umsetzung des Projektes dar und es obliegt ihr, Etappenziele und schließlich eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln. Die Idee des Projektes zielt darauf ab, alle Bereiche der Bürgerschaft in der AG zu integrieren, die von der Gemeindeverwaltung begleitet wird. Obgleich auch der Arbeit der AG die Freiwilligkeit zugrunde liegt, kann nur durch Eigeninitiative, Information und Motivation eine erfolgreiche Zielsetzung erreicht werden. Das Label einer nachhaltigen Kommune in möglichst vielen Kommunen ermöglicht es überdies, dass Deutschland im internationalen Vergleich seinen Ruf als nachhaltigkeitsbewusstes Land verteidigen kann.
Aber schlussendlich dient das Projekt uns allen und unserer Lebensweise. Denn eine friedvolle, prosperierende, klimaschonende und umweltfreundliche Gemeinde kann heutigen und zukünftigen Generationen nur dienlich sein.
Bei Interesse an der AG Nachhaltigkeit für Hambühren kann sich unter nachhaltigkeit@hambuehren.de registriert werden.