Das Entwurf des Wahlprogramms von Bündnis 90 / Die Grünen trägt den Titel “Deutschland. Alles ist drin” und ist ein 136 Seiten umfassendes Dokument. Bereits der einleitende Teil (“Lebensgrundlagen schützen”) des Programmes stellt klar, welche Grundlage die politische Arbeit der Grünen – auch als Regierungspartei – haben soll: “Wir machen die planetaren Grenzen zum Leitprinzip unserer Politik” (S. 8). So wird klargestellt, dass alles, was Mensch, Tier, Klima und Natur schützt, belohnt , während Zerstörerisches Schritt für Schritt überwunden werden soll. Dabei wird die Integration ökologischer Interessen und Belange als wesentlicher Teil des deutschen Wirtschaftssystems angestrebt.
Klimaschutz
Der Nachhaltigkeitsgedanke wird in dem Programm mit sozialer und ökonomischer Gerechtigkeit in Verbindung gebracht: einerseits zielt das Programm auf Klimagerechtigkeit ab, andererseits soll dieses dem Wohlstand nicht im Wege stehen. Es soll ihn sogar fördern. Als Kernforderung strebt die Partei somit eine Energierevolution an, die durch eine Steuer- und Abgabereform erneuerbare Energien fördern und erschwinglich machen soll, um aus der Nutzung fossiler Energien aussteigen zu können.
Hierbei setzen Die Grünen auf ein überarbeitetes Regelwerk, das durch klare und “ehrgeizige Vorgaben” (S. 10) für Grenzwerte, CO2-Reduktionszielen und Produktstandards auf deutschem und europäischem Level Planungssicherheit verspricht. Des Weiteren wird angestrebt, die Kreislaufwirtschaft deutlich auszubauen. So soll u.a. auch die Digitalisierung mit Kriterien zur Nachhaltigkeit – wie z.B. durch Wiederverwendbarkeit – vollzogen werden, um mit Hilfe einer klimagerechten Bauwirtschaft und dem Ausbau der Kreislaufwirtschaft neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Diese ‘ökologische Modernisierung’ soll in industriereichen Gegenden durch einen Transformationsfond gefördert werden, um Unternehmen, die am Standort gebunden und somit nicht selber in der Lage sind, den Schritt der Modernisierung zu gehen, zu unterstützen. Allerdings soll ein sofortiges Klimaschutzprogramm in allen Sektoren umgesetzt werden. Wie und durch welche Maßnahmen dies geschehen soll, bleibt allerdings ungeklärt.
Weiter sieht das Programm vor, das europäische Emissionshandelsystem (ETS) zu reformieren und überflüssige Zertifikate zu löschen. Jegliche Einnahmen, die vom CO2-Preis rühren, sind als Energiegeld direkt an die Bürger*innen zurückzuführen, um somit erreichen zu können, dass klimafreundliches Handeln finanziell belohnt wird.
Ein wesentlicher Bestandteil der Politik der Grünen ist der Ausbau erneuerbarer Energien und klimaneutraler Gebäude. So soll die Windkraft und die Photovoltaik deutlich erweitert werden. Besonders in Bezug auf die Windkraft sind Anwohner*innen schon früh in die Planungsphase für Windparks einzubinden. Sonnenenergie soll breitflächig genutzt werden. Der Neubau von privaten Gebäuden ist mit Ausstattung von Solaranlagen zu erfolgen. Selbiges gilt auch für öffentliche Gebäude, während auch Überdachungen z.B. von Parkplätzen, Photovoltaikanlagen beherbergen sollen. Auch Gebäudesanierungen sollen erfolgen, die Klimaneutralität zum Ziel hat. Interessanterweise stellt die Atomkraft nur noch einen kleinen Teil des Umweltschutzkonzeptes der Grünen dar. Nur in einem Paragraphen (S. 17) wird der Atomausstieg und das Finden von Atomendlagern gefordert.
Das Hauptaugenmerk der Partei liegt auf Klimaneutralität durch die Energiewende (weg von fossilen Brennstoffen). Hierbei soll auch der öffentliche Nahverkehr deutlich ausgebaut werden, Neuzulassungen von Autos ab 2030 nur für emissionsfreie Fahrzeuge erfolgen und Kurzstreckenflüge langfristig abgeschafft werden. Städte sollen unterstützt werden, autofreie und verkehrsberuhigte Innenstädte und Stadtviertel zu schaffen.
Natur-, Arten- und Umweltschutz
Natur-, Arten- und Umweltschutz stellen einen weiteren Kernpunkt des Programmentwurfes dar. Naturschutz soll durch den Ausbau von Korridoren und dem europäischen Natura2000-Netzwerk erfolgen. Durch einen “Wildnisfonds” sollen 2% der Landesfläche wieder in echte Wildnis verwandelt werden. Infrastrukturprojekte sollen dazu führen, dass die Flächennutzung durch Industrie- und Siedlungsgebiete bis 2030 halbiert wird.
Der Schutz der biologischen Vielfalt and Land und im Meer soll durch ein strenges und rechtliche bindendes Regelwerk der Vereinten Nationen erfolgen. Auch der Moores- und Auenschutz soll mit Hilfe einer konsequenten Umsetzung der EU-Wasserrahmen-Richtlinie umgesetzt werden. Bezüglich des Meeresschutzes setzen die Grünen auf eine nachhaltige Vermeidung von Plastikmüll durch verbindliche Richtlinien. Auch heben sie die Wichtigkeit der Ausweisung von Meeresschutzgebieten, der Aufgabe von Öl- und Gasförderung in der deutschen Allgemeinen Wirtschaftszone (AWZ) sowie ein Ende der Subventionen für die Fischerei hervor. Durch die Verbannung von Giftstoffen in Alltagsprodukten, der Begrünung von Städten sowie dem Ausbau erneuerbarer Energien sollen das Allgemeinwohl und die Wirtschaft verbessert und gestärkt werden.
Schutz von (Klein-)Bäuer*innen
Im Kontext des Umweltschutzes muss auch der Schutz von (Klein-)Bauern und Tieren beachtet werden. Interessanterweise strebt die Partei hier nach einer groben Umsetzung der im Dezember 2018 verabschiedeten Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte von Kleinbauern und -bäuerinnen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten (Englischer Text hier).
Im Sinne der UN Erklärung sollen die Rechte von (Klein-)Bäuer*innen deutlich gestärkt werden. So streben Die Grünen eine Aufgabe von Patenten auf Tiere und Pflanzen sowie deren genetische Anlagen an. Dies ist eine Kernforderung der UN Erklärung. Auch soll die regionale Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse gestärkt und die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft gerechter gestaltet werden. Um die Qualität von Lebensmitteln zu verbessern, sind verbindliche Maßgaben zur Reduktion von Zucker, Salz und Fett erforderlich. Darüberhinaus wird die Kennzeichnung von Lebensmitteln im Sinne der Transparenz von Produktion und Haltung gefordert.
Tierschutz
Auch der Tierschutz ist im Programm der Grünen verankert. Zum Einen strebt die Partei an, weniger Tiere in größeren Bestallungen zu halten, um ihnen ein Leben frei von Schmerzen, Angst und Stress zu ermöglichen. Landwirtschaftliche Unternehmen, die eine Umstrukturierung ihres Betriebes anstreben, können somit mit Zuwendungen rechnen. Zudem ist die Wissenschaft angehalten, Versuche an Tieren zu minimieren und Strategien zu entwickeln, tierversuchsfreie Methoden auszubauen.
Anerkannten Tierschutzorganisationen soll es ermöglicht werden, im Verband klagen zu können. Auch ein*e Bundestierschutzbeauftragte*r soll die Möglichkeit gegeben werden, durch Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte relevante Behörden kontrollieren und Rechtsverstöße beanstanden zu können.
Als letzter Punkt wird gefordert, den Wildtierhandel strenger zu regulieren sowie Importe von Wildfängen, die Trophäenjagd, ihr Handel auf Online-Portalen und Wildtierbörsen gänzlich zu verbieten. Als Grund wird hier u.a. die COVID-19-Pandemie genannt, die durch eine Zoonose, d.h. durch eine vom Tier auf den Menschen übertragene Krankheit, entstanden ist. Der Verbot von Pelztierfarmen stellt die letzte Forderung der Grünen in diesem Zusammenhang dar.